Mandatsbearbeitung „in angemessener Zeit"?

Wie im Anwaltsblatt nachzulesen ist, soll eine „Berufspflicht zur Mandatsarbeit“ eingeführt werden. Im neuen § 11 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) wird der Rechtsanwalt verpflichtet, ein Mandat „in angemessener Zeit zu bearbeiten“. Dies wurde in der 5. Satzungsversammlung am 11.11.2014 mit großer Mehrheit (62 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und drei Enthaltungen) beschlossen (Leider kein Karnevalsscherz). Die neue Regelung soll nun den Rechtsanwaltskammern die Möglichkeit geben, gegen untätige Anwältinnen und Anwälte vorzugehen.

Tolle Idee! Auf eine entsprechende Regelung für Gerichte werden die Bürger mit Sicherheit vergeblich warten. Und dass diese Norm (und auf sie gestützte Kammerbeschwerden) tatsächlich zu einer besseren / zügigeren Mandatsbearbeitung führen, dürfte eher wenig wahrscheinlich sein. Leider gab es auf der Versammlung offensichtlich nur wenig – aber durchaus berechtigte – Kritik.

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25 Gedanken zu “Mandatsbearbeitung „in angemessener Zeit"?

  1. Wäre schön, wenn das kommt! Im Moment beispielsweise haben wir einen Anwalt, der nicht mal mehr auf Mails antwortet … Aktenzeichen darf man sich selbst vom StA besorgen, usw. usw. – aber eine Honorar-Rechnung wird der Faulpelz und Kommunikationsverweigerer sicherlich gerne aufmachen.
    Pustekuchen. Keine Leistung, kein Geld.

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  2. S. für Richter z.B.

    § 272 ZPO: Bestimmung der Verfahrensweise
    (1) Der Rechtsstreit ist in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) zu erledigen.
    (2) Der Vorsitzende bestimmt entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275) oder veranlasst ein schriftliches Vorverfahren (§ 276).
    (3) Die Güteverhandlung und die mündliche Verhandlung sollen so früh wie möglich stattfinden.

    § 273 Vorbereitung des Termins
    (1) Das Gericht hat erforderliche vorbereitende Maßnahmen rechtzeitig zu veranlassen.

    § 279 Mündliche Verhandlung
    (1) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, soll sich die mündliche Verhandlung (früher erster Termin oder Haupttermin) unmittelbar anschließen. 2Andernfalls ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
    (2) Im Haupttermin soll der streitigen Verhandlung die Beweisaufnahme unmittelbar folgen.

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    • Ja, schön. Die ZPO dürfen Sie als bekannt voraussetzen. Man beachte aber schon den ohnehin weichen Wortlaut:

      „Ist in der Regel“, „sollen so früh wie möglich“ etc. Der Praktiker weiß auch, dass die Gerichte diese (und andere) Paragrafen der ZPO allenfalls als unverbindliche Anregung betrachten – und diverse überlange Verfahren belegen diesen Befund.

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  3. Nun ja,vielleicht mal die Kirche im Dorf lassen. Was meinen Sie denn, welche schrecklichen Folterinstrumente die Kammer bei entsprechenden Eingaben von Mandanten auspacken wird?
    Für den Mandanten ist es natürlich einfach, aus wichtigem Grund zu kündigen. Der Spaß fängt dann an, wenn man die Unterlagen aus den Handakten zurückhaben möchte und/oder zugleich den Vorschuss auf die wegen Unbrauchbarkeit nicht zu vergütende Leistung zurückfordern muss, falls dann noch der RA unter Berufung auf nicht beglichene Rechnungen ein Zurückbehaltungsrecht an den Handakten geltend macht. Da kann man als Mandant viel Spaß haben.

    Übrigens hinkt auch Ihr Vergleich mit Richtern: Die können sich in der Regel nicht aussuchen, ob und wie sie jetzt ein bestimmtes Verfahren führen möchten oder nicht (und sie bestimmen auch nicht über die Personalausstattung der Gerichte). Der RA wird abseits der Pflichtverteidigung nicht genötigt, Mandate anzunehmen. Das heißt nicht, daß es nicht den einen oder anderen Richter gibt, der unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit oder behaupteter besonderer Sorgfalt schlicht schlampt und/oder langsam arbeitet. Und sich dann gegen Rüffel seiner OLG-Präsidentin vergeblich wehrt (google nach OLG Karlsruhe).

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    • Naja, Tatsache ist doch jedenfalls, dass Kammerbeschwerden einer gedeihlichen Zusammenarbeit von Anwalt und Mandat eher nicht förderlich sind.

      Hinkt der Vergleich mit Richtern wirklich? Tatsache ist doch, dass es eine wirksame Kontrolle von Richtern nicht gibt, sie haften (außer im seltenen Falle einer nachweisbaren Rechtsbeugung) auch nicht für Fehler und Schlampereien – anders als Anwälte.

      Sicherlich ist die Personalausstattung der Gerichte offenbar unzureichend. Diesem Problem widmet man sich aber eher zögerlich bis gar nicht – außer durch Kahlschlagpolitik, wie hier in MeckPomm.

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      • „Tatsache ist doch, dass es eine wirksame Kontrolle von Richtern nicht gibt, sie haften (außer im seltenen Falle einer nachweisbaren Rechtsbeugung) auch nicht für Fehler und Schlampereien – anders als Anwälte. “

        Das von Ihnen zitierte Spruchrichterprivileg gilt für Urteile und Beschlüsse. Gerade im Bereich des FGG gibt es für Richter aber eine ganze Menge Haftungsfallen. Was glauben Sie, weshalb mit dem Mitgliedsbeitrag des Richterbundes bereits eine Haftpflichtversicherung mit abgegolten ist?

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  4. „Auf eine entsprechende Regelung für Gerichte werden die Bürger mit Sicherheit vergeblich warten.“

    Diese Regelungen existieren für die Gerichte seit vielen, vielen Jahren, mittlerweile ergänzt um das Instrument der Verzögerungsrüge und -entschädigung. Das sollten Sie aber eigentlich wissen.

    „Und dass diese Norm (und auf sie gestützte Kammerbeschwerden) tatsächlich zu einer besseren / zügigeren Mandatsbearbeitung führen, dürfte eher wenig wahrscheinlich sein.“

    Das ist allerdings richtig und gilt genauso für den gerichtlichen Bereich.

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    • „Diese Regelungen existieren für die Gerichte seit vielen, vielen Jahren.“ Ach, wirklich? Welche denn – außer den allgemeinen Regeln? Und wie sieht die Praxis aus?

      Das „Instrument der Verzögerungsrüge und -entschädigung“ ist noch keine drei Jahre alt – und was hat es gebracht?

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      • Die Verpflichtung, ein Mandat „in angemessener Zeit zu bearbeiten“, ist wohl gleichfalls kaum mehr als eine allgemeine Regel. Insofern gilt jetzt für die Anwaltschaft, was für die Gerichte schon lange galt – mutmaßlich mit nicht viel mehr Erfolg, da gebe ich Ihnen schon recht. Das ändert aber nichts daran, dass nicht etwa eine Regelung für die Anwaltschaft geschaffen wurde, die für die Justiz nicht in Sicht ist, sondern umgekehrt eine dort schon lange geltende Regel nunmehr auch für die Anwaltschaft gilt.

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  5. Es ist schon ironisch, wenn man den Begriff der angemessenen Zeit mitaufnehmen sollte. Das hilft dem einzelnen Rechtssuchenden nun gar nicht, weil er nie weiß, was angemessen ist. Gerade in gerichtlichen Verfahren ist der Anwalt wohl selten das Problem. Wenn es zu Verzögerungen dort kommt, hat das oftmals taktische Gründe, zB die Jahresfrist bei § 45 SGB X zu erreichen, bei einem Aufhebungsbescheid noch länger die aufschiebende Wirkung zu haben oder die Minderung der Strafe durch das lange Verfahren, usw.

    Richtige Schlafmützen gibt es bei Anwälten wohl selten. Denn einerseits ergibt sich eine interessensgerechte Wahrnehmung wohl schon aus dem Dienstvertrag, andererseits dürfte die Bezahlung auch mit den Tätigkeiten im Verhältnis stehen. Auch kann der Mandant ja stets das Mandat entziehen.

    Insoweit dürfte das Problem in der Praxis eher klein sein. Dass die Vertreterversammlung solche Dinge beschließt, mag wohl dann eher am Verbandswesen liegen. Wenn man keine wichtigen Dinge zu beschließen hat, macht man sich über solche Probleme einen Kopf. => http://de.wikipedia.org/wiki/Parkinsonsche_Gesetze

    Dass Anwälte so gänzlich frei in der Annahme ihrer Mandate sind, empfinde ich als belustigend. Wirtschaftliche Nöte scheinen hier wohl nicht bedacht zu sein. Kaum ein Anwalt kann sich wirklich Rosinenpickerei erlauben. Das soll er nach der Konzeption auch nicht betreiben, sonst wäre er auch kein Organ der Rechtspflege, sondern ein gewöhnlicher Selbstständiger…

    Dass Verzögerungsrügen als Instrument nicht wirksam funktionieren, ergibt sich bereits aus der Konstruktion. Ja, man kann mit der Verzögerungsrüge den Puls des Richters etwas erhöhen. Aber meistens bekommt man dann nur als Antwort die Probleme der Justizverwaltung serviert, von (systematisch) fehlender personeller Ausstattung der Geschäftsstellen, zu vielen Dezernatswechseln, usw. Ein Verzögerungsrügensystem hilft nunmal nur in Einzelfällen, nicht gegen das Kaputtsparen eines ganzen Justizsystems. Dazu gibt es ja noch das Korrektiv der ordentlichen Gerichtsbarkeit (mit schönem Gebühren- und Kostenrisiko), das im Zweifel die Entschädigung nochmal kräftig nach unten setzt. Anreizfunktion also gleich null.

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  6. LiKo Melchior,

    da wir ja nun leider alle Zwaqngsmitglieder der Kammer sind und auch bleiben müssen, werden wir uns auch mit so einem Nonsens irgendwann befassen müssen.

    Außerdem sind wir Dienstleister und von daher wird schon die Zufriedenheit der Mandantschaft eine Rolle spielen, so dass man schon selbst darauf bedacht sein wird, Mandante zügig zu bearbeiten.

    Aber es ist doch schön, dass die RAK dann offenbar so um die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder besorgt ist, dass solche Überlegungen stundenlang anstellt und dafür Aufwendungsersatz von unseren Kammerbeiträgen bekommt.

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