Solche Strafjustiz braucht keiner – die 2.

Wieder ein schönes Beispiel kollusiven Zusammenwirkens:

Der Zeuge meinte, wenn er den Delinquenten nach einem (angeblichen) Parkplatzrempler nicht gestoppt hätte, hätte dieser den Unfallort verlassen (der Zeuge muss allerdings nicht wissen, dass ein versuchtes Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nicht strafbar ist).

Mit eben dieser Theorie wird dem Mandanten eine Anhörung übersandt. Der Polizeibeamte sollte allerdings schon wissen, dass ein versuchtes Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nicht strafbar ist.

Im Rahmen der Akteneinsicht wird auch darauf hingewiesen, dass die sichtbaren äußerst minimalen Schäden an dem Geschädigten-PKW schon technisch nicht durch den PKW des Mandanten verursacht worden sein können – und auch die Wahrnehmbarkeit mehr als zweifelhaft ist.

Die Staatsanwaltschaft beantragt (natürlich) ungerührt einen Strafbefehl. Jedenfalls diese sollte wissen, dass ein versuchtes Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nicht strafbar ist.

Besagter DirAG M. (der auch wissen sollte, dass …) unterzeichnet ungerührt diesen Unsinn: 30 Tagessätze und 2 Monate Fahrverbot.

Dass nicht nur nach der Zeugenaussage, sondern auch laut Konkretisierung im Strafbefehl der Delinquent den Unfallort gar nicht verlassen hat, weil er schon dort von dem Zeugen gestoppt wurde, sei nur am Rande bemerkt. Dennoch folgt – natürlich – der schöne Standardtextbaustein:

…entfernten Sie sich von der Unfallstelle. Dadurch wurde dem Geschädigten die Möglichkeit genommen, Feststellungen über den Unfallhergang zu treffen“ – ersichtlich völliger Unsinn.

Nach dem neuen Geschäftsplan 2015 muss nun ein Richterkollege über den Einspruch urteilen. Man darf gespannt sein. :-/

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15 Gedanken zu “Solche Strafjustiz braucht keiner – die 2.

  1. „Den Unfallort verlassen“ hat nach der Rechtsprechung derjenige, der sich so weit entfernt, dass für feststellungsbereite Dritte kein erkennbarer Zusammenhang zum Unfallereignis mehr besteht. Auf einem vollbelegten Parkplatz können dafür schon 30m ausreichen. Offenbar wissen das StA und DirAG …

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    • Das mag ja sein. Es war allerdings kein „vollbelegter Parkplatz“ und zudem war der Delinquent auch keine 30 Meter von dem „Unfallort“ entfernt, sondern wurde schon am Unfallort gestoppt. Sehen Sie es mir nach, das ich nicht den gesamten Akteninhalt hier referiere.

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    • Es gibt allerdings auch Rechtsanwälte, die immer noch Anerkenntnisurteile nach § 307 Abs. II ZPO (bereits seit dem o1.o9.2004 nicht mehr existent) beantragen. 😉

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      • Sie werden sich „ihrem Richter“ nur anpassen wollen. 😉

        Sicherlich gibt es auch bei Rechtsanwälten „Trantüten“ – allerdings werden sie nicht so gut (auch) von meinen Steuergeldern bezahlt.

        Und mal ehrlich: Freuen wir uns nicht, wenn so ein Kollege auf der Gegenseite auftritt? :>>

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  2. Ich meine, wir alle sollten uns für die Verdreifachung unserer Steuerlast einsetzen, damit auch am Amtsgericht Hintertuttlingen jeder Strafbefehl so intensiv geprüft wird wie ein BGH-Urteil. Das sollte uns die Sache wert sein.

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    • Eine intensive Prüfung ist keine Frage des Geldes, sondern des Willens und der Fähigkeit.

      Der Umkehrschluss wäre quasi die Lizenz zur ungeprüften Unterschrift unter Schriftstücken, die Existenzen gefährden könnten – denn häufig zieht ein Fahrverbot auch den Entzug der wirtschaftlichen Grundlage nach sich.

      Also kann eine ungeprüfte Unterschrift keine wirkliche Option sein, egal, welcher Etat zur Verfügung steht.

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    • So, so. Es müssen also die Steuern erhöht werden, um Staatsbedienstete (insbesondere Richter) höher zu bezahlen, damit sie nur ihre Pflicht tun? Schräge Auffassung – oder sind Sie Richter? 😉

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  3. Super interessanter Beitrag. Interessant zu lesen. Genauso interessant sind aber auch die Kommentare hier runter. Ein sinnvoller Zeitvertreib bei dem man auch noch was lernen kann. Vielen Dank.

    Gruß,
    Greta

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