Gegenskript

Der illegale Datenhandel ist ja zur Zeit Top-Thema. Hauptabnehmer dürften u.a. die freundlichen Herrschaften sein, die nicht nur Konten ahnungsloser Mitmenschen plündern, sondern selbigen auch per Cold Call irgendwelchen Unsinn aufschwatzen wollen.

Professionelle Telefonwerber, aber auch diese lassen sich in die Knie zwingen, und zwar mit Hilfe des Gegenscripts. Wetten, das keiner von denen das gesamte Prozedere durchsteht?

Die Staatsanwaltschaft – mal wieder Kopf runter und durch ?

Die Einsichtnahme in eine Ermittlungsakte fördert mal wieder Merkwürdiges zu Tage:

Dem Mandanten – seines Zeichens Wachmann bei einem Wachunternehmen – wird der Diebstahl von Bargeld vorgeworfen, nämlich sage und schreibe 5.- (in Worten: Fünf!) Euro aus einer Schreibtischschublade in einem zu bewachenden Unternehmen. Sicherlich ein Vertrauensbruch unter Ausnutzung seiner Stellung – wenn es denn so wäre.

Grundlage ist eine Anzeige einer Mitarbeiterin des Unternehmens. Sie behauptet, in der Firma seien schon mehrere kleinere Diebstähle vorgekommen, und zwar immer dann, wenn der Mandant dort eingeteilt war – so auch besagte 5.- Euro (deren Eigentümerin als Zeugin zu hören, hielt man allerdings offensichtlich nicht für erforderlich).

Daraufhin habe ihr Chef eine Überwachungskamera installiert. Auf dem Video sei zu erkennen, wie der Mandant eine Schreibtischschublade öffne und wieder schließe. Dieses Mal habe sich aber kein Geld (!) in der Schublade befunden.

Der als Beschuldigter vernommene Mandant räumt ein, ein bisschen „geschnüffelt“ zu haben, bestreitet aber entschieden, konkret etwas gesucht oder gar gestohlen zu haben.

Eine CD mit den entsprechenden Videosequenzen wird zur Akte genommen. Das unschlagbare Beweismittel? Nein, diesbezüglicher Ermittlungsvermerk der KriPo: „Die von der Fa. xyz zugesandte CD mit den beweiserheblichen Aufnahmen des Beschuldigten am Tatort lässt sich mit unserem Computersystem nicht öffnen.“

In der Tat – es handelt sich um ein verschlüsseltes Format, das nur mit spezieller Software abgespielt werden kann. So dürfte es auch der StA kaum gelungen sein, diese Sequenzen einzusehen. Das flicht den wackeren sachbearbeitenden Amtsanwalt aber überhaupt nicht an: Ohne jegliche weiteren Ermittlungen beantragt er einen Strafbefehl über 20 Tagessätze.

Sollte das zu denken geben?

Schadensminderungspflicht gebietet Klage !??

Ein Kollege ist mit dem Antrag gescheitert, den Beklagten zur Zahlung vorgerichtlichen Anwaltshonorars zu verurteilen. Der Direktor seines Amtsgerichts bügelt ihn mit einer vollen Breitseite ab. Aus den Gründen:

Ein ausurteilungsfähiger Schadensersatzanspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten besteht nicht. Gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB hätte ein solcher nur bestehen können, wenn der klagenden Partei überhaupt ein Verzugsschaden entstanden wäre. Das würde voraussetzen, dass die Anwälte der klägerischen Partei gegen diese überhaupt einen forderungsberechtigten Anspruch auf Anwaltskosten für ein gesondertes außergerichtliches Tätigwerden erlangt hätten.

Das setzt zum ersten voraus, dass die Anwälte durch einen gesonderten Auftrag außergerichtlich tätig werden sollten und tätig geworden sind,
zum zweiten würde es voraussetzen, dass ein Anwaltsvergütungsanspruch fällig geworden ist (§ 8 RVG)
zum dritten die Anwälte der anspruchstellenden Partei eine Rechnung hierüber erteilt haben (§ 10 RVG), denn ohne eine solche können Anwälte von ihren Mandanten nichts verlangen.
zum vierten setzt ein Schadensersatzanspruch voraus, dass die Kostenauslösung während des Verzuges eingetreten ist.
zum fünften wäre ein ausgleichspflichtiger Schaden erst dann eingetreten, wenn sich bei der klagenden Partei ein Schaden im Sinne einer Vermögenseinbuße realisiert hat, d.h. die klagende Partei die Anwälte bereits vergütet hat, also bei der klagenden Partei jetzt rein tatsächlich ein Weniger im Vermögen vorhanden ist, mit der Folge, dass die klagende Partei deshalb den Ausgleich dieser Vermögenseinbuße fordern kann (m.N.).
schließlich sechstens würde ein Anspruch voraussetzen, dass die Aufwendung des Betrages schadensersatzrechtlich überhaupt notwendig war, also dass der Schaden berechtigterweise eingetreten ist.

Donnerwetter, immerhin sechs (!) Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlichen Anwaltshonorars überhaupt denkbar ist! Aber auch nur höchst theoretisch, denn jetzt läuft das Gericht erst richtig zur Höchstform auf und zitiert sich selbst:

Zu letztgenanntem Punkt hat das Gericht im Urteil xyz – u.A. ausgeführt: Soweit eine nicht anzurechnende Anwaltsgebühr … verlangt wird, ist der Schadensersatzanspruch unsubstantiiert. Als materieller Schadensersatzanspruch gern. § 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB liegt schon kein Schaden vor.

Es ist unbekannt, ob hier die Klägerin einen separaten Auftrag. erteilt hat, vorgerichtlich tätig zu werden. Alles deutet daraufhin, dass die Klägerin einen unbedingten Prozessauftrag erteilt hatte. Hat ein Mandant seinem Rechtsanwalt aber einen unbedingten Klageauftrag erteilt, ist die Geltendmachung einer Gebühr gern. Nr. 2400 VV-RVG ausgeschlossen. Die Verfahrensgebühr gern. Nr. 3100 VV-RVG erfasst auch Tätigkeiten, welche die Klage oder die Rechtsverteidigung vorbereiten (m.w.N.).
Selbst wenn die Klägerin keinen unbedingten Prozessauftrag erteilt hätte, dann wäre die getrennte Erteilung eines Auftrages zum vorgerichtlichen Tätigwerden und eines anschließenden Prozessauftrages schadensersatzrechtlich dem Beklagten nicht zuzurechnen. Die Erstattungsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten richtet sich nach §§ 249 ff. BGB, das heißt die Einschaltung eines Rechtsanwaltes muss im konkreten Fall erforderlich gewesen sein.

Hierfür bemüht das Gericht sogar den BGH (Vl ZR 73/04 vom 18.o1.2005), der seine Meinung vermeintlich (!?) stützt:

Sei die Verantwortlichkeit für den Schaden und die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne Weiteres seine Ersatzpflicht nach kommen werde, so werde es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Fazit insoweit: Besteht aus Sicht des Geschädigten „kein vernünftiger Zweifel“ (auf wessen „Vernunft“ kommt es hier wohl an?) an der Ersatzpflicht des Schuldners, braucht er auch keinen Anwalt – jedenfalls muss der Schädiger diesen nicht bezahlen. Anderenfalls hält das Gericht die schnelle Attacke für geboten:

Stellte sich die Sachlage aber so dar, dass der Geschädigte nicht unzweifelhaft erwarten kann, dass der Schuldner sofort und ohne Wenn und Aber sogleich zahlen werde, so ist (schadensersatzrechtlich) auch kein Grund ersichtlich, warum ein getrennter vorgerichtlicher Auftrag und dann ein Prozessauftrag erteilt werden muss. Vielmehr ist der Geschädigte aus seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB ) heraus gehalten, das sogleich zu tun, was er sowieso machen werde, nämlich dem Anwalt Prozessauftrag zu erteilen. In diesem Fall (s.o.) sind dann aber die vorbereitenden Maßnahmen bereits Teil des Prozessauftrages, so dass eine gesonderte Gebühr gem. VV-RVG 2400 (Anm.: seit dem 01.07.2006 Ziff. 2300) gar nicht anfällt, folglich fällt eine nicht anzurechnende Anwaltsgebühr gar nicht an.

So viel Unsinn in einem einzigen Urteil, das hat schon Seltenheitswert! Außergerichtliche Forderungsschreiben sind also nur (nicht zu vergütende bzw. erstattende) Prozessvorbereitung. Die Schadensminderungspflicht (!) gebietet i.d.R. sofortiges Klagen. Eine gesonderte Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG fällt nicht an, weil sie nicht anfällt (hört, hört!). Ganz großes Kino – Allen Regeln, der täglichen Praxis sowie dem Geiste der ZPO zuwiderlaufend, der ja bekanntlich gerade auf Streitvermeidung bzw. -beilegung gerichtet ist. So ist nahezu keine vorgerichtliche Anwaltstätigkeit mehr denkbar, die unter Schadensersatzgesichtspunkten noch von der Gegenseite zu vergüten wäre. Dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG, die gerade von dem Regelfall zunächst vorgerichtlicher Bemühungen und deren gesonderter Vergütung ausgeht – dann auch eher sinnlos ist, sei nur am Rande erwähnt (und diverse weitere Argumente gegen derartigen >:XX einmal weggelassen).

Wenn so etwas Schule macht, wird wohl nicht nur der Herr DirAG sich wundern, nämlich über das zukünftig stark steigende Prozessaufkommen an seinem kleinen Amtsgericht. Zumindest die Kollegen in seinem Bezirk werden sich seine Ratschläge natürlich zu Herzen nehmen, ab sofort vorgerichtliche Schreiben tunlichst unterlassen und sogleich Klage erheben.

Aber wahrscheinlich wird er dann meinen, man hätte es doch zunächst außergerichtlich versuchen können bzw. bei entsprechender Verteidigung dem Kläger in großzügiger Anwendung des § 93 ZPO die Kosten auferlegen. :no:

Ziercke & Co. – mal wieder hochprofessionell

Eigentlich stammt das Wort „hochprofessionell“ ja aus der Phrasendreschmaschine der CDU – aber es passt auch schön auf die tollen Vorschläge, die BKA-Präsi Ziercke laut heise dem staunenden Volk jetzt präsentierte:

BKA fordert Sperrung kinderpornographischer Webseiten (Update)
Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hat sich bei der Vorstellung des Lagebilds (PDF-Datei) zur organisierten Kriminalität 2007 dafür ausgesprochen, Internetprovider gesetzlich zur Sperrung von Angeboten mit kinderpornographischen oder fremdenfeindlichen Inhalten zu verpflichten. … Das „Access-Blocking“ könne daher eine „wichtige Maßnahme“ sein, um das Geschäft mit Kinderpornographie weniger lukrativ zu machen.

Klar doch, Herr Ziercke! Dass die Ferkelserver weltweit verstreut stehen, ist sicherlich ebenso nur ein Randproblem, wie die Tatsache, dass diese Schweinereien überwiegend nicht über allgemein zugängliche Seiten verbreitet werden. Und z.B. die Regierung der Cayman-Islands oder sonstiger exotischer Kleinstaaten werden sicherlich schnell zu überzeugen sein, entsprechende Gesetze zu erlassen. Aber sicher … :no:

Wahr und unwahr

Wahr ist, dass sich OSM Schäuble laut golem gegen ein Verbot von Daten- bzw. Adresshandel ausgesprochen haben soll. Unbestätigt ist hingegen das Gerücht, dass die chronisch klamme Bundeskasse durch Versteigerung der aus der Vorratsdatenspeicherung gewonnenen Daten bei ebay aufgebessert werden soll.

Datenskandale und kein Ende

Wie bei tecchannel zu lesen ist, kaufte IT-Manager Andrew Chapman für nur 35 britische Pfund einen gebrauchten Rechner. Allerdings waren die Festplatten nicht sauber gelöscht und erhielt Millionen von Kundendaten. Darunter befanden sich Details von American Express, NatWest und der Royal Bank of Scotland. Die Daten enthielten Namen, Adressen, Kontodaten, Kreditkarten-Nummern, Handy-Nummern und sogar eingescannte Unterschriften. … Nachforschungen haben ergeben, dass noch ein zweiter Rechner vermisst wird. Diesen soll ebenfalls die Archivierungsfirma Graphic Data verschlampt haben. Die Firma sagte, dass man versuche, den zweiten Rechner aufzuspüren.

Aber so was kann in diesem unserem Lande natürlich nicht passieren, unsere Daten sind sischer, genau wie dereinst unsere Rente, nicht wahr, Herr OSM?

Laserdrucker abgemahnt

Interessantes für Tauschbörsennutzer (und deren Anwälte) findet sich bei computer.t-online.de

Hunderte unberechtigte Abmahnungen
Tadayoshi Kohno von der Universität Washington untersuchte mit seinem Team im August 2007 und Mai 2008 das Nutzerverhalten in BitTorrent-Netzwerken. Die Forscher wollten feststellen, wer in den Tauschbörsen was verbreitet. Den Daten-Verkehr zwischen den Nutzern überwachten sie mit speziellen Programmen. Obwohl diese Programme sich nicht am Tausch von Dateien beteiligten, flatterten den Wissenschaftlern über 400 Abmahnungen von US-Unterhaltungsverbänden ins Haus. Daraus schlossen die Forscher, dass die Piratenjäger der Medienkonzerne lediglich die IP-Adressen der Teilnehmer von Tauschbörsen protokollieren und keinesfalls überprüfen, ob sich der Nutzer tatsächlich am Tausch von Raubkopien beteiligt.

IP-Adressen manipuliert
Die Forscher zeigen in ihrer Studie zudem, wie sich IP-Adressen so manipulieren lassen, dass ein anderer Nutzer für das Filesharing verantwortlich gemacht werden kann. Hierzu passten sie ihre Überwachungsprogramme an, so dass diese unter anderen IP-Adressen auftraten – und zwar unter denen dreier Laserdrucker der Universität. Der Verband der US-Filmindustrie MPAA mahnte anschließend tatsächlich diese Geräte ab. Der Vorwurf: Sie sollen illegale Kopien der Filme Iron Man und Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels heruntergeladen haben.

Piratenjäger schlampen bei der Arbeit
Die Ergebnisse der Tauschbörsen-Studie sind für die Medienkonzerne wenig erfreulich. „Unsere Studie zeigt wissenschaftlich, dass Lücken bestehen“, sagte Kohno gegenüber der New York Times. Viele Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen seien unberechtigt. Es könne sogar Personen treffen, die niemals zuvor eine Tauschbörsen genutzt haben. Deshalb fordert Kohno von der Unterhaltungsindustrie ein genaueres Vorgehen bei der Verfolgung von Urheberechtsverletzungen im Internet.

Hält man diese Studie für seriös und bei Bedarf reproduzierbar, dürften Probleme auf die Abmahnkollegen zukommen …