Idiotenfest

Ob sich auf den Verkehrsgerichtstag in Goslar nun unbedingt die Creme der Verkehrsrechtler versammelt, habe ich schon öfter bezweifelt. Diese Vermutung wird nun durch die Nachricht bestärkt, der Verkehrsgerichtstag habe empfohlen, Alkoholsünder sollten künftig bei der ersten Auffälligkeit bundesweit einheitlich schon ab einem Promillewert von 1,1 die MPU absolvieren müssen, wenn sie den Führerschein zurückerhalten wollten.

Die MPU (salopp Idiotentest genannt) wird jedenfalls von seriösen Psychologen als schematische Massenabfertigung ohnehin sehr kritisch gesehen. Und ein Alkoholwert von 1,1 – 1,6 Promille ist sicherlich keineswegs in Ordnung, aber auch kein Grund, die Delinquenten generell unter den Generalverdacht des notorischen Trinkers zu stellen, der auch in Zukunft alkoholisiert am Straßenverkehr teilnehmen wird – und dann in einem fragwürdigen Procedere das Gegenteil beweisen muss. Wer schon einige dieser Textbaustein-Gutachten gelesen hat, weiß, was gemeint ist.

Bleibt also nur (die allerdings bescheidene) Hoffnung, dass der Gesetzgeber sich dieser abwegigen „Empfehlung“ verweigert.

P.S.: Schön, in den Nachrichten zu hören, dass auch der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages Kay Nehm sowie der ADAC diesen Vorschlag durchaus kritisch sehen.

Paulus meets Saulus

Die Kanzlei Scharfenberg / Hämmerling (Hamburg/Berlin) betreibt die Seite abmahnsoforthilfe.de, so weit – so gut. Dort finden sich auch gleich die Standardtipps derartiger Seiten:

  • Haben Sie eine Abmahnung erhalten?
  • Bewahren Sie Ruhe!
  • Zahlen Sie auf keinen Fall den geforderten Betrag und unterschreiben Sie nicht die Unterlassungserklärung.
  • Nehmen Sie stattdessen unseren kostenlosen Erstkontakt in Anspruch.

Dass dieselbe Kanzlei – aktuell Hämmerling / von Leitner-Scharfenberg – ganz offensichtlich ihrerseits als „Abmahnfabrik“ tätig ist u.a. und ebay-Verkäufern vorwirft, aufgrund Art und Umfang ihrer Verkaufstätigkeit als gewerbliche Händler tätig zu sein – so z.B. für einen gewissen Herrn Ralph Schneider, mal (angeblich) Fotograf, mal Betreiber der Seite markenglas.de – hat dann schon ein gewisses Geschmäckle, oder?

Und überhaupt: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Abmahnungen und/oder einstweiligen Vergnügungen um sich werfen.

Das Gewerberegistrat hat ein Urteil

Wie bereits berichtet, hat die berühmt-berüchtigte GWE hingeschmissen. Ihre Methode, mit (angeblich) einschlägigen Urteilen Druck aufzubauen, wird nun vom Gewerberegistrat mit einer „letzten außergerichtlichen Mahnung“ kopiert.

Die Kollegen Radziwill – Blidon – Kleinspehn publizieren hier einen lesenswerten Kommentar zu dem der Mahnung beigefügten Urteil des AG Schwäbisch Hall 6 C 760/15 vom 11.12.2015.

Zu den Kreisen hinter dem Gewerberegistrat gehören wohl noch weitere Mitglieder:

Die Hunter Forderungsmanagement GmbH, Geschäftsführer (auch hier): Marcel Meyfarth. Diese kooperiert offensichtlich u.a. mit der RECHT-nah UG, Hochheimer Str. 44, 99094 Erfurt, Geschäftsführerin Hildegard Borth. Unter eben dieser Adresse ist auch der Rechtsanwalt Michael Borth (firmierend unter Borth Rechtsanwälte, laut Impressum aber Einzelkämpfer) zu finden, der das o.a. Urteil (gegen eine offensichtlich unterlegene Gegnerin ohne Anwalt) heldenhaft erkämpft hat.

„Letzte außergerichtliche Mahnung“ – ob man wohl Wort hält? 😉

Nettopolice? Nein danke!

Wie das Versicherungsmagazin berichtet, liegt der Anteil der sog. Nettopolicen im Neugeschäft unverändert im niedrigen Promille-Bereich.

Die Autoren der Studie, die Professoren Dr. Matthias Beenken und Dr. Sabine Wende, bringen einen Aspekt auf den Punkt:

Sie finden es bedenklich, dass die Unternehmen mit großer Mehrheit keinen Einfluss darauf nehmen, unter welchen Bedingungen die Nettotarife den Kunden angeboten werden. Dabei zeigten eine Reihe Gerichtsverfahren und Urteile des Bundesgerichtshofs, dass separate Vergütungsvereinbarungen keineswegs immer transparent und angemessen seien. Negativ falle dabei unter anderem die Höhe der geforderten Vermittlungshonorare sowie die Tatsache auf, dass der Kunde anders als bei Bruttotarifen im Fall frühzeitiger Vertragsstornierung die vereinbarte Vergütung meist nicht zeitanteilig zurückfordern könne. Auch erfolge oft keine hinreichende Aufklärung darüber, wie sich eine einmalige Vergütung bei einem langfristigen Versicherungsvertrag auf dessen Kosten-/Nutzen-Verhältnis auswirke, und wie sich dies mit Bruttotarifen vergleichen ließe.

„Eine Reihe Gerichtsverfahren“ – allein hier waren es schon über einhundert. 😉

Handy laden verboten …

… jedenfalls als Kfz-Lenker. Das meint jedenfalls das OLG Oldenburg (mit Beschluss 2 Ss (OWi) 290/15) vom o7.12.2015 und hat einen Lkw-Fahrer, der während der Fahrt ein Handy zum Laden angeschlossen hatte, zur Zahlung eines Bußgeldes von 60.- € verdonnert.

Zur Begründung führten die Richter aus, dass die Nutzung eines Mobil- oder Autotelefons für denjenigen, der ein Fahrzeug führe, verboten sei, wenn er das Gerät hierfür aufnehmen oder halten müsse, § 23 Abs. 1a StVO. Das Anschließen eines Handys zum Laden stelle eine Nutzung in diesem Sinne dar. Durch § 23 Abs. 1a StVO solle gewährleistet werden, dass der Fahrzeugführer beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei habe. Die Nutzung schließe daher sämtliche Bedienfunktionen (z.B. Versendung von Kurznachrichten) und auch Tätigkeiten zur Vorbereitung der Nutzung wie das Anschließen zum Laden ein.

Wieder mal eine gnadenlose Überziehung des gut gedachten aber schlecht gemachten „Handyaragraphen“. Hätte der gute Mann stattdessen z.B. seinen Akkurasierer zum Laden angeschlossen, wäre nichts passiert. Absolut nicht überzeugend, Hohes Gewricht. 😦

Kein Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Videos

Die Verkehrsanwälte berichten:

Das Landgericht Landshut schließt sich in seinem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 01.12.2015 – Az.: 12 S 2603/15 – der Auffassung an, nach der Videoaufnahmen einer Onboard-Kamera grundsätzlich verwertbar sind. …

Das LG Landshut lehnt auch ein Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (informelles Selbstbestimmungsrecht) ab. Der vom Filmenden verursachte Grundrechtseingriff ist geringfügig. Das laufende Filmen vom Auto aus erfolgt wahllos und ohne bestimmte Absicht. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Bewegungsprofilen findet nicht statt. …

Das LG Landshut sieht keinen gravierenden Grundrechtseingriff darin, wenn andere Verkehrsteilnehmer, deren Identität dabei nicht geklärt wird und auch nicht geklärt werden soll, von einer Onboard-Kamera erfasst werden, ohne dass dies für den Kamerabetreiber mit einem Erkenntnisgewinn verbunden ist.

M.E. durchaus zutreffend. Der Beschluss ist hier veröffentlicht.

Bye Bye GWE !

Was hat die hinreichend bekannte GWE-Wirtschaftsinformations GmbH – neben eigenen Zahlungsaufforderungen und sogar der Übersendung eines neunseitigen (!) „Klagentwurfs“ – nicht alles in Marsch gesetzt:

Zwei Inkassobuden;
Eine „Kanzlei für Wirtschaftsrecht“;
Die „M.M.S. Rechtsanwalts- und Wirtschaftskanzlei“

Alle haben viel Zeit und Papier verschwendet, angeblich einschlägige Urteile in Kopie übersandt etc.

Jetzt dürfte damit allerdings Schluss sein, da die angebliche Forderung aus dem Jahre 2012 datiert – und falls GWE & Co, aus dieser Tatsache den naheliegenden Schluss ziehen.

Nach eigenen Angaben ist die Gewerbeauskunft-Zentrale am Ende. Ob das auch für die GWE Wirtschaftsinformations GmbH gilt? So oder so wird sich das Mitleid der meist unfreiwilligen „Kundschaft“ in Grenzen halten. 😉

§ 79 ZPO – auch der DEVK völlig unbekannt?

Passend zu diesem Beitrag ereichte mich heute ein Schriftsatz der DEVK, die wohl auch glaubt, für ihren allein verklagten Versicherungsnehmer eintreten zu können. Dem ist nicht so:

In dem Rechtsstreit
abc ./. xyz
– 8 C 54/15 –

wird beantragt, die – ohnehin substanzlosen – Ausführungen der Kfz-Haftpflichtversicherung des Antragsgegners per Beschluss gemäß § 79 Abs. III S. 1 ZPO zurückzuweisen. Diese gehört nicht zu den Vertretungsbevollmächtigten i.S. des § 79 Abs. II ZPO (vgl. z.B. LG Düsseldorf, Urteil 14c O 137/15 vom 26.11.2015; AG Brühl, Beschluss 22 C 232/13 vom 12.02.2014). Dass die entsprechende Änderung des § 79 ZPO schon ab dem o1.o7.2008 der Kfz-Haftpflichtversicherung des Antragsgegners bisher entgangen sein sollte, erscheint kaum vorstellbar.

Fragt sich nur: Was soll der Quatsch?

Kfz-Versicherer sind nicht (!) Bevollmächtigte i.S. § 79 ZPO

Wer kennt das nicht: Ein KFZ-Haftpflichtversicherer zeigt in einem Verkehrsunfallverfahren vor Gericht „die Verteidigung für die/den Beklagte(n) an (Vollmacht gemäß § 10 Abs. 4 AKB)“.

Insider wissen es längst, diverse Kfz-Versicherer ignorieren nach wie vor hartnäckig die Änderung des § 79 ZPO (schon ab dem o1.o7.2008), wonach sie seither generell nicht berechtigt sind, (allein) ihre Versicherungsnehmer in einem Prozess zu vertreten.

Captain Huk referiert ein Urteil des LG Düsseldorf, wo der Kollege Schepers eine Versicherung erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen hatte. Wie er berichtet, hat diese inzwischen Berufung eingelegt, so dass sich das OLG Düsseldorf (I-20 U 154/15) mit der Sache beschäftigen darf. Man darf gespannt sein!

Lesenswert auch die Aufstellung bei Captain Huk zu diversen weiteren Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema.

DEKRA-Gutachten zu eso 3.0 – nicht wirklich hilfreich

Eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät ESO ES 3.0 wurde in einem Bußgeldverfahren von einem DEKRA-Sachverständigen überprüft. Es endete mit dem Fazit:

Aus technischer Sicht bestehen mithin keine begründbaren Zweifel daran, dass die im Bereich der Messörtlichkeit zulässige Geschwindigkeit von 130 km/h durch den Betroffene um mindestens 48 km/h überschritten wurde.

Und dies, obwohl der Sachverständige sich offensichtlich nur mit der Plausibilität der Messung und ihres Ergebnisses beschäftigt, nicht aber mit der konkreten Geschwindigkeitsberechnung. Er führte zunächst u.a. Folgendes aus:

– „Über die genaueren physikalischen Grundlagen und insbesondere die Qualitätskriterien der Messwertbildung liegen seitens des Herstellers keine Veröffentlichungen vor.“ (S. 7).
– „Die vom Hersteller zur Verfügung stehende Auswertesoftware sieht es nicht vor, Einblick in die konkrete Messwertbildung und Messwertverarbeitung zu erlangen.“(S. 8 a.E.)
– „Ob letztlich der vom Gerät angegebene Geschwindigkeitswert korrekt ist, kann anhand der vorliegenden Beweismittel im Rahmen dieses technischen Gutachtens nicht überprüft werden.“ (S. 9 oben).
– „Seit der Verwendung der Softwareversion 1.007 und neuere Varianten besteht … die Möglichkeit, mit DEKRA-eigener Software die im Datensatz der Betroffenen hinterlegten Helligkeitswerte auszulesen und … den ausgewiesenen Geschwindigkeits- sowie Seitenabstand auf Richtigkeit zu überprüfen, nicht mehr. Durch den Messgerätehersteller wurden die bisherigen Möglichkeiten der externen Einsichtnahme in die Rohmessdaten durch intensivere Verschlüsselungs- und Kodierungsmaßnahmen drastisch verschärft.“

Tatsächlich hat der Sachverständige „mittels der Referenzsoftware ‘Eso Digitales II viewer’ … die Authentizität und Integrität der Falldatei überprüft“, die er für „uneingeschränkt belegt“ befand.

Die u.a. auf die Begutachtung von Messungen vorliegender Art spezialisierte VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG hält die Verwendung der offensichtlich von dem Gerätehersteller (!) eso GmbH angebotenen Auswertesoftware „esoDigitales II viewer“ für schlicht unseriös und führt hierzu u.a. aus:

„Weshalb sich die Überprüfung durch einen technischen Sachverständigen bei vorhandenen Zweifeln an der Korrektheit des Messwertes im gerichtlichen Verfahren auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken soll, wenn die dem angezeigten Messwert zu Grunde liegenden Informationen (die Rohmessdaten) vorhanden sind, erschließt sich dabei nicht. Die Rohmessdaten lassen über die Plausibilitätsprüfung hinaus eine exakte
ZudemBerechnung der tatsächlichen Geschwindigkeit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu.“

In der Tat dürften zudem erhebliche Bedenken angebracht sein, wenn Sachverständige zur Überprüfung einer mit Geräten der eso GmbH durchgeführten Messung (nur) eine von eben dieser Firma angebotenen Auswertesoftware verwenden können – wobei die Geschwindigkeitsauswertung auf der Basis ihnen unbekannter (!) Daten mittels ihnen unbekannter (!) Algorithmen durchgeführt wird.

Nur dem DEKRA-Sachverständigen kommen derartige Zweifel offensichtlich nicht. 😦